Von der Spielerin zur Schiedsrichterin (2/3)

Schiris pfeifen Spiele. Ohne Schiris kein Spiel. Diese ziemlich einfachen Aussagen zeigen die Oberfläche, aber wenig über die Hintergründe. Wie werde ich Schiri? Was bedeutet es eigentlich, die Spielleitung im Jugend- oder Erwachsenenbereich zu übernehmen? Macht das überhaupt Spaß?

Gefragt haben wir all das unsere Schiedsrichterinnen Michelle und Hanyah, die sich seit einiger Zeit neben ihrem Engagement als Spielerin auch als Schiedsrichterin unseres Vereins in den Berliner Fußball einbringen. In drei Teilen berichten sie von ihrem Weg.

Michelle: Da ich meistens deutlich älter als die Spieler bin (ich bin im Moment vor allem bei den B-Junioren aktiv), fiel es mir recht leicht mich als Autorität ggü. den Spielern zu behaupten. Jedoch ist es als Frau schwieriger als Autorität auf dem Platz akzeptiert zu werden, vor allem bei heranwachsenden Spielern. Bei Spielen der Frauen wiederum hatte ich keine Probleme mit der Autorität. Hier sind die Spielerinnen froh, dass überhaupt eine Schiedsrichterin pfeift und es ist von vorne rein eine andere Akzeptanz zu spüren. In Jugendspiele trete ich daher auch von Beginn des Spiels sehr streng auf, damit ich einen reibungslosen Spielverlauf gewährleisten kann. Bei Spielen der Frauen kann ich jedoch entspannter und lockerer in die Partie gehen.

Hanyah: Es fiel mir definitiv nicht schwer, als Autorität den Spieler:innen gegenüberzustehen. Wenn ich als Spielerin auf dem Platz stehe, erwarte ich von der Spielleitung nichts anderes. Somit war es für mich gleich von Beginn an wichtig, dies auszustrahlen. Hierfür ist es natürlich auch wichtig, vorbereitet ins Spiel zu gehen, mindestens eine Stunde vor Spielbeginn am Platz zu sein, Routinen zu entwickeln und viel zu kommunizieren. Nur so kann ich von eigener Warte aus reibungslose Spiele gewährleisten.

Hanyah: Ich bin definitiv etwas schlauer geworden in Bezug auf die Spielregeln. Es ist tatsächlich erschreckend, wie viel man als Spier:in nicht weiß. Mein Blick auf das Spiel hat sich persönlich nicht stark verändert. Entscheidungen die ein Schiedsrichter*in fällt, sind nachvollziehbarer geworden.

Michelle: Ich glaube nicht, dass ich mich als Spielerin verändert habe, da ich auch schon vor der Schiedsrichterei sehr respektvoll gegenüber den Schiedsrichter:innen war und die Entscheidungen des Schiris auf dem Platz nicht kommentiert habe. Jedoch ist mir aufgefallen, dass Spieler:innen oft glauben zu wissen, was die Entscheidung sein sollte, z.B. bei Abseitssituationen, jedoch falsch liegen. Als Spieler:in nimmt man Situationen oft anders wahr.

Hanyah: Exakt dieses Thema der Wertschätzung und Anerkennung hat mich davor abgeschreckt, mich eher als Schiedsrichterin zu engagieren. Zunächst einmal muss man ganz klar sagen, Wertschätzung und Anerkennung muss man sich verdienen. Es reicht nicht, kurz vor Anpfiff einzutreffen und 90 Minuten lang im Mittelkreis zu stehen. Ich möchte den Spieler*innen vermitteln, dass das Schiedsrichtern genauso mein Hobby ist. Ich brenne dafür und möchte gute Leistungen zeigen. Des Weiteren haben wir es mit Menschen zu tun. Also mit Emotionen, den Willen zu gewinnen, Leidenschaft. Das herausfordernde ist es genau, diese Aspekte in der Waage zu halten, Emotionalität zuzulassen, aber faire Bedingungen auf dem Platz zu wahren. Ich bin also eine Art Mediatorin, nicht mehr und auch nicht weniger und definitiv nichts “Besseres”. Ich bin dafür verantwortlich, dass sich alle an die Spielregeln halten und wenn es optimal läuft, sich alle am Ende des Tages die Hand geben. Dass das nicht immer gelingt, gehört genauso zum Spiel wie das Nicht-Gewinnen. Womit ich werben würde? Man lernt Fußball aus einer ganz neuen Perspektive kennen. Zwischenmenschlichkeit, Fingerspitzengefühl und das Selbstbewusstsein, zu seinen Entscheidungen zu stehen, werden gestärkt. Man lernt auch viel über Fehlbarkeit und damit umzugehen. Das sind Themen, die mich auch in meinem Berufsalltag begleiten und umgekehrt.

Michelle: Fußball kann nur gespielt werden, wenn es weiterhin genug Schiedsrichter:innen gibt. Es ist eine super Alternative zum Spielen und man lernt den Fußball von einer anderen Seite kennen. Natürlich ist es auch Sport, da ich als Schiedsrichterin genau so viel, wenn nicht sogar mehr, laufe als die Spieler:innen auf dem Platz. Wenn man gerne Entscheidungen trifft oder es lernen möchte, dann ist die Schiedsrichterei das perfekte Hobby. Natürlich kann, vor allem für jüngere Menschen, die Aufwandsentschädigung auch ein guter Grund sein mit dem Pfeifen anzufangen.

Hanyah: Ja, in der Tat! Mein bisheriges Highlight war mein erstes Kreisliga Herren Spiel. Zwei Strafstöße gegeben, drei gelbe Karten ausgeteilt und ein sehr faires, aber intensives Spiel gepfiffen. Am schönsten war es, als der Trainer der Heimmannschaft, welche 1:8 verloren hatte, zu mir kam und mich für meine Leistung gelobt hat.

Michelle: Eine rote Karte musste ich bisher glücklicherweise noch nicht geben, aber auch die erste gelbe Karte war schon recht spannend und brauchte etwas Überwindung, da ich als Spielerin auf dem Platz sehr selten mitbekomme, dass eine Spielerin eine gelbe Karte bekommt. An die Härte in den Zweikämpfen bei den Jungs musste ich mich daher erst gewöhnen.

Jedoch hatte ich bei meinem ersten Großfeldspiel ein sehr schönes Erlebnis. Es war ein C-Junioren Spiel, wo der Heimtrainer das ganze Spiel gemeckert hat. Ich habe mich dadurch zwar nicht beeinflussen lassen, doch natürlich habe ich nach dem Abpfiff an meiner Leistung gezweifelt. Anschließend kam das Trainerteam der Gastmannschaft mit einem Spiel, welchem ich die gelbe Karte gegeben habe, zu mir und haben sich bedankt, dass ich mich nicht vom gegnerischen Trainer beeinflussen haben lasse und der Spieler hat sich fürs Meckern auf dem Platz entschuldigt. Auch bei einem anderen Spiel, was sehr anspruchsvoll war, weil einige Spieler der Heimmannschaft nur am Meckern waren und ich sogar einem Spieler eine Zeitstrafe geben musste, hat ein Verantwortlicher des Heimvereins mir nach dem Spiel gesagt, ich hätte super gepfiffen und das Spiel gut im Griff zu haben. So etwas ist natürlich schön zu hören und bestärkte mich auch in meiner Leistung als Schiedsrichterin. Ein besonderes Erlebnis war natürlich auch als Daniel Siebert mich bei einem meiner ersten Spiele im Rahmen des Projektes „Profi wird Pate“ begleitet hat und mir hilfreiche Tipps gegeben hat. Nur wenige neue Schiedsrichter:innen haben die Möglichkeit von einem Profi betreut zu werden, daher fand ich dieses Ereignis sehr spannend.

Fotos: Moabiter FSV | Fragen & Anmerkungen? Schreib uns!